Satanismus
Wohl kaum ein Thema weckt solch starke Emotionen, buendelt Aengste und Befuerchtungen wie der Satanismus.
Medien wissen, dass die Quote stimmt, wenn sie Satanismus als Aufmacher ganz gross herausbringen. Da wird schnell ein Thema aufgebauscht, das damit nur am Rande zu tun hat. Hauptsache es schockt und gruselt. Die eigentlichen Probleme werden davon aber leicht verdeckt.
Auf der anderen Seite warnen diejenigen, die die zerstoererische Kraft des Boesen erfahren haben, vor einer Verharmlosung des Themas. Der Mittelweg zwischen Uebertreibung und Dramatisierung auf der einen, Abschwaechung und Verharmlosung auf der anderen Seite ist offenbar beim Satanismus besonders schwer zu finden. Dies liegt nicht unwesentlich daran, dass es ein Gebiet ist, das sich Weitenteils im Verborgenen abspielt. Aussenstehende haben naturgemaess wenig Einblick in die inneren Zusammenhaenge okkulter Kleingruppen. Was man nicht weiss – darueber laesst sich nur spekulieren.
Nun ist es aber nicht so, dass man ueber Satanismus ueberhaupt nichts Naeheres wissen koennte.
Auch wenn manche Einzelheit verborgen bleibt, wichtige Grundzuege lassen sich sehr wohl benennen und geben Richtungen zum Handeln vor.
Die folgenden Seiten moechten versuchen, Orientierung in dem unuebersichtlichen Bereich zu bieten. Es werden die geschichtlichen und mythologischen Grundlagen gezeigt, verschiedene Richtungen des modernen Satanismus beschrieben und Hinweise zum Umgang mit dem Phaenomen vermittelt.
Hat er Hoerner, Pferdefuss und einen Schwanz? Oder drei goldene Haare? Volksbrauchtum und Maerchen haben zum Teil eine sehr detaillierte Vorstellung von dem personifizierten Boesen entwickelt. Wichtiger ist fuer Christen, was die Bibel darueber berichtet.
Im Alten Testament bedeutet “Satan“ zunaechst einmal “Widersacher“. Jeder kann so bezeichnet werden, der sich einem anderen widersetzt, sogar David (1 Sam 29,4) oder Gottes Engel, der sich Bileam und seinem Esel in den Weg stellt (4 Mose 22,22). In diesem Sinn wird auch Petrus von Jesus “Satan“ genannt, als er der Leidensankuendigung widerspricht (Mt 16,23).
Im Buch Hiob erscheint Satan als Teil des himmlischen Hofstaates, in dem er die Funktion des Anklaegers hat, indem er die Suenden der Menschen vor Gott bringt. Deutlich bleibt seine Unterordnung unter Gott. Boeses und Gutes kommt von ihm. Eine eigene Macht neben Gott kommt dem Satan nicht zu.
Die griechische Uebersetzung des hebraeischen Satan ist Diabolos - der Durcheinanderbringer. Von dort stammt das deutsche Wort “Teufel“.
In spaeterer Zeit wurde viel ueber die himmlischen Verhaeltnisse spekuliert und die Schriften der zwischentestamtarischen Epoche zeigen eine sich herausbildende Vielfalt von Engeln und Daemonen als Wesen, die zwischen Gott und den Menschen vermitteln oder solches zu stoeren suchen.
In den Schriften aus den Hoehlen von Qumran wird geschildert, Gott habe zwei Geister (Engel) geschaffen: einen des Lichts und einen der Finsternis. Hier kommen auch endzeitliche Vorstellungen mit ins Spiel, nach denen Belial jetzt zwar gegen die Gemeinde kaempft, in einer apokalyptischen Schlacht aber von Gott besiegt wird.
Wo von Jesus im Neuen Testament Heilungen berichtet werden, dann sind damit meist Exorzismen verbunden: er treibt unreine Geister aus. Besessenheit war fuer die Menschen eine Form bestimmte gefaehrliche und unbekannte Krankheiten zu benennen. Jesus konnte diese Daemonen vertreiben, die Menschen heilen und damit den Anbruch des Gottesreiches zeigen.
So selbstverstaendlich auch der Daemonenglaube zum neutestamentlichen Weltbild gehoert – der Teufel selbst spielt in der Verkuendigung Jesu und seinem Handeln nur eine untergeordnete Rolle. Jesus wurde von ihm versucht und von Pharisaeern beschuldigt, in seiner statt Gottes Vollmacht zu heilen. Aber er hat nicht die Angst vor, sondern den Sieg ueber den Teufel verkuendigt.
Eine wichtige Stelle im Neuen Testament ist Jesu Vision vom Himmelssturz Satans (Lk 10,18). Der Teufel ist gefallen, darum haben sogar seine Juenger Macht ueber die Daemonen. Von Exegeten wird diese Stelle als Begruendung fuer die Vollmacht Jesu und seine Heilsgewissheit angefuehrt.
An der Realitaet des Boesen in der Welt laesst die Bibel keinen Zweifel. Aber das Satanische ist nicht immer leicht zu erkennen. Hoerner, Pferdefuss und Schwanz sind dem Teufel erst im Mittelalter aus der Gestalt des griechischen Gottes Pan zugewachsen. Auch der Schwefelgestank kam spaeter als Ausschmueckung hinzu. Daran kann man ihn nicht identifizieren. Der Satan kommt verstellt als Engel des Lichtes (2 Kor 11,14). Der Name Luzifer (Lichttraeger) drueckt etwas davon aus. Auch der Teufel argumentiert mit Bibelspruechen (Mt 4,6). Manches, was zunaechst gut erscheint, was nicht von vornherein als boese zu erkennen ist, erweist sich in seiner Wirkung als satanisch.
Die Bibel beschreibt die Wirksamkeit des Boesen als eine Macht, die sich zwischen die Menschen und Gott stellt. Satan repraesentiert eine Macht, die Gottes Herrschaft in Frage stellt und sich selbst verfuehrerisch praesentiert. Diese Macht ist in der Welt real vorhanden und ihre zerstoererischen Auswirkungen auf menschliches Leben und Glueck nur zu oft erkennbar. Aber es ist eine gebrochene Macht: Jesus hat sie besiegt. Zwar sind wir noch ihren Angriffen und ihren Verfuehrungen ausgesetzt, aber wir muessen uns nicht vor ihr fuerchten. Sie hat keine Macht ueber uns.
Harald Lamprecht, 9/2001
Satanismus ist ein sehr schillernder Begriff. Unwillkuerlich denkt man an Teufelsanbetung, verwuestete Friedhoefe, schwarze Messen und blutige Tieropfer. Aber Satanismus hat viele Gesichter, und die meisten sehen anders aus.
Da gibt es Jugendliche, die aus Neugier Experimente mit einem Pendel oder einem rutschenden Glas veranstalten. Da gibt es Schwarzgekleidete Gestalten, die gern harte Musik hoeren. Andere Schwarzgekleidete Gestalten mit wilden Frisuren hoeren andere Musik, sehen aber sonst ganz aehnlich aus. Da gibt es Leute, die ihre radikale Vorstellung von individueller Autonomie als satanisches Prinzip bezeichnen. Da gibt es andere, die durch Magie versuchen, ihre Ziele zu erreichen. Da gibt es wieder andere, die vor allem deshalb Satanisten sind, weil sie anders sein wollen als ihre Eltern - am Besten das Gegenteil - und das deutlich zum Ausdruck bringen. Wieder andere sind es eher heimlich fuer sich, lesen magische Buecher, praktizieren still ihre Rituale und sind ansonsten unbescholtene Buerger. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie etwas mit “Satan“ zu tun haben. Was sie darunter verstehen und was das fuer sie bedeutet, ist schon wieder sehr verschieden.
Wie kann man diese Vielfalt ordnen? Nach Prof. G. Schmid sind vor allem zwei Bereiche zu unterscheiden: experimenteller (hypothetischer) und religioeser (ideologischer) Satanismus.
Fuer die Richtungen, die man unter dem Stichwort “experimenteller“ oder auch “hypothetischer Satanismus“ zusammenfassen kann, gibt es eine Gemeinsamkeit: Satan ist eine Hypothese, die angenommen wird und geprueft werden soll. Seine Existenz steht nicht von vornherein fest, sondern ist genau genommen nebensaechlich. Es geht eigentlich um anderes. Satanismus wird benutzt, um anderen Zwecken zu dienen. Er kann zur ueberbrueckung von Schwaechen im Abendprogramm benutzt werden, er kann zur Steigerung von CD-Verkaeufen dienen sollen, er kann Protest gegen die Erwachsenenwelt ausdruecken, er kann zur Gestaltung einer Gruppenidentitaet verwendet werden. Immer geht es aber nicht eigentlich um Satan, sondern um anderes. Der Satanismus ist nur die Fassade.
Im Unterschied zum vorangegangenen bemueht sich religioeser Satanismus um ein mehr oder weniger geschlossenes weltanschaulich-religioeses System der Weltdeutung. Es geht hier nicht um Experimente, sondern die Grundzuege stehen von vornherein fest. Es ist fuer die Betreffenden ein philosophisches bzw. religioeses System, das auch mit dem Anspruch intellektueller Ueberzeugungskraft daherkommt. Innerhalb dieser Abteilung haben sich verschiedene Richtungen und Systeme herausgebildet. Gemeinsam ist ihnen, dass komplizierte liturgische Riten eine wichtige Rolle spielen, denen eine magische Wirkung zugeschrieben wird. Allerdings bekommt Satan in ihnen meist nicht die Stellung eines Gegengottes. Der eigentliche Gott ist der Mensch selbst, dessen Selbstvergottung durch magische Rituale erreicht werden soll. Es ist die “Religion des Ego“
Wichtige Gestalt war Aleister Crowley (1875–1947), der mit dem “Gesetz von Thelema“ den eigenen Willen zum absoluten Gesetz erhob und verschiedene mit ritueller Magie arbeitende Okkultorden dominierte, besonders den Ordo Templi Orientis (O.T.O.)
Ein anderer Zweig, der inzwischen Crowley an Popularitaet uebertrifft, geht auf Anton Szandor LaVey (1966–1997) zurueck, der 1966 in Kalifornien die “Church of Satan“ gruendete. Im Unterschied zu Crowley ist LaVey im Grunde seines Herzens Rationalist. An einen Teufel glaubt er nicht. Satan ist fuer ein Prinzip, eine Chiffre fuer die Umkehrung ethischer Prinzipien. Dies hindert ihn freilich nicht, auch lebenspraktisch ausgerichtete magische Rituale zu propagieren. Von beiden existieren verschiedene Nachfolgeorganisationen.
Von den genannten Richtungen zu unterscheiden (obwohl er manchmal auch dort auftritt) ist ein pathologischer Satanismus. Bei ihm steht eine meist behandlungsbedürftige psychische Störung im Zusammenhang mit satanistischem Auftreten oder im Hintergrund von Berichten über satanistische Erlebnisse.
Nicht direkt zum Themenbereich des „Satanismus“ gehörig, aber durch einige Berührungspunkte und Überschneidungen mit ihm verbunden, sind
„h die neue Hexenszene (Wicca–Bewegung), in der vornehmlich Frauen ihr Interesse an Magie mit einer Selbstidentifikation als „Hexe“ verbinden,
„h die Neuheidnische Bewegung, wo der Versuch einer Wiederbelebung alter germanischer, nordischer oder keltischer Religionen unternommen wird,
und
„h die Gothic-Szene, in der Jugendliche ihrem veränderten Lebensgefühl durch bestimmte Kleidung und Musik Ausdruck geben.
Diese Richtungen grenzen sich in der Regel vom Satanismus ab und wollen mit ihm nichts zu tun haben, stehen aber durch einzelne inhaltliche oder äußere Gemeinsamkeiten mit ihm Beziehung.
Harald Lamprecht, 9/2001
Nicht jeder, der schwarzgewandet umherläuft, ist ein Satanist. Eine andere jugendliche Subkultur ist in letzter Zeit immer mehr zur Modeerscheinung geworden: Die Gothics.
Die Anfänge dieser Szene liegen im England der späten 70er Jahre und haben sich aus dem Punk heraus entwickelt. Bands wie The Cure, Sisters of Mercy, Depeche Mode u. a. prägten den neuen Musik- und Modestil.
Heute ist die Szene aber in sich enorm vielfältig – sowohl was die Musik als auch das Erscheinungsbild und die vertretenen Ideen angeht. Das macht eine gemeinsame Beurteilung schwierig. Ein deutliches Merkmal ist vielleicht die trotz dominantem Schwarz zur Schau getragene Individualität. Es wird eifrig geschminkt, toupiert, gestylt und behängt. Künstlich verstärkte Augenringe, blasse Gesichter, lange Lodenmäntel, schrille Frisuren und dazu Amulette, Ketten, Eisen Nieten und Totenköpfe prägen die Erscheinung. Die Symbolik kreist dabei um die mystische und dunkle Seite des Daseins - Tod, Vergänglichkeit stellen zentrale Themen dar.
Damit verbindet sich ein besonderes Lebensgefühl, das im Gegensatz zur vorherrschenden Kultur steht. Schwarz drückt die Abgrenzung zur Spaßgesellschaft aus, die Sterben und Vergänglichkeit verdrängt. Statt nüchterner Leistungsgesellschaft flüchtet man in eine düstere Phantasiewelt, in der Kirchenruinen und stille Landschaften, Grabmale und Friedhöfe, Engel und Dämonen immer wiederkehrende Motive sind. „Gothic zu sein bedeutet für die meisten nicht, ständig unter Depressionen zu leiden, sondern die schwarze Seite des Lebens zuzulassen.“ drückt ein Insider sein Lebensgefühl aus.
Gothic ist zunächst einmal eine Moderichtung, die auf bestimmte gesellschaftliche Defizite reagiert und diese nun – zum Teil in extremer Weise – zum Programm erhebt. Als solche ist sie ohne religiöse Festlegung und es gibt auch christliche Jugendliche, die dieser Szene angehören. Allerdings kann nicht übersehen werden, dass sich mit dem Interesse an Magie und Mystik eine starke Affinität zu neuheidnischer Religiosität verbindet. Kelten und Druiden, Germanische Gottheiten und neues Hexentum finden in der Szene Interessenten. Damit verbindet sich wiederum nicht selten eine deutlich antichristlicher Affekt. Namen von Bands wie „Christian Death“ und deren Texte lassen es an Deutlichkeit nicht fehlen. Protestcharakter und eigene Religiosität stehen dabei nebeneinander. Das Szenemagazin „Orkus“ schreibt z. B., das Anliegen der amerikanischen Band „Christian Death“ sei es, „mit häretisch anmutenden Texten die verlogene Gottesfürchtigkeit und sexuelle Verklemmtheit ihrer Landsleute offen zu legen und zu stigmatisieren“. „Die Untoten“ publizierten 1999 ihre CD „Schwarze Messe“. Auf ihr Verhältnis zum Satanismus angesprochen äußerten sie: „Wir fürchten weder Gott und seine Anhänger noch Satan, denn (es mag ein Geheimnis sein!) es gibt sie beide nicht. Es gibt nur die Hölle auf Erden und den Himmel und das Feuer über und in uns. Im herkömmlichen Sinne aber sind wir: Antichristen!“
Manch einer trägt sein Kreuz dann auch verkehrt herum am Hals. Was er damit verbindet, muss erfragt werden. Mit Fremdinterpretationen sollte man vorsichtig sein – zu groß ist die innere Vielfalt der Szene. Mit Satanismus im engeren Sinn will die Masse der Gothics nichts zu tun haben und bemüht sich um eine Abgrenzung. Diese ist Angesichts manch äußerlicher Nähe aber auch nötig.
Gleiches gilt übrigens gegenüber der Unterwanderung durch rechte Ideologie. Durch das gemeinsame Interesse an heidnischen Kulten, nordischer und germanischer Mythologie ergeben sich Berührungspunkte. Eine Abgrenzung ist im Gange, es existiert eine breite Bewegung „Grufties gegen rechts“, aber eben auch einen rechten Rand innerhalb der Szene.
Im Unterschied zur stärker aggressiven Dark–Metal–Szene sind Gothics in der Regel strikt gewaltlos. Gewalt gilt ihnen als Ausdruck von primitivem Geist und Unfähigkeit zum Reden. Gothics reden über alles - über ihre Probleme, ihre Musik, ihre Freunde, sie schreiben Gedichte, lesen Novalis und Nietzsche. Sie sind moderne Romantiker, und haben als solche manch erstaunliche Parallele zu den Begründern der deutschen Romantik, sowohl was den Hang zum Vergänglichen wie die gesellschaftliche Außenseiterrolle angeht. Übrigens würden Grufties (wie sie auch manchmal genannt werden) niemals auf dem Friedhof randalieren – sie zerstören doch nicht ihr Wohnzimmer.
Das Spektrum innerhalb der Bewegung ist breit. An den Rändern kommt es mitunter zu Grenzüberschreitungen, die nicht zu tolerieren sind. Hier ist die Szene selbst gefordert, deutliche Abgrenzungen vorzunehmen. Aber auch über die Konsequenzen mancher Liedtexte müsste etwas kritischer nachgedacht werden. Kritik ist aber nicht unbedingt eine Stärke einer Szene, die radikale Individualität mit einer eigenen Event-Kultur verbindet. Davon profitieren Rechtsextreme und Satanisten gleichermaßen. Hüten muss man sich aber vor Verallgemeinerungen und falschen Gleichsetzungen, denn: Grufties sind (meist) keine Satanisten.
Harald Lamprecht, 9/2001
Es ist Abend. Einige Jugendliche sitzen um einen Tisch, ein Glas wird hin und her geschoben und soll die Fragen der Teilnehmer beantworten – derartige Experimente vollziehen Studien zufolge etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Jugendlichen. Meist ist Neugier das treibende Motiv. Aber auch die Spannung des Mysteriösen und Unerklärlichen bringt eine gewisse Faszination mit sich.
Mit Satanismus haben solche spiritistischen Experimente an sich nichts zu tun. Tausende suchten in der Vergangenheit auf diese Weise Kontakt mit Geistern. Häufig meinte man, in solchen Sitzungen täten sich die Geister verstorbener Menschen kund und vermittelten Botschaften aus dem Jenseits. In der Gegenwart sind in Esoterik-Kreisen medial vermittelte Botschaften „höherer Geistwesen“ unter dem Namen „Channeling“ wieder populär geworden. An den Teufel denkt dabei kaum einer.
Eine Beziehung zum Satanismus entsteht erst (und nur dann), wenn in solchen Séancen gezielt Satan angerufen wird. Dies scheint allerdings bei Jugendlichen nicht selten zu geschehen - sei es, weil ihnen kein anderer „Gesprächspartner“ einfällt, oder sei es wegen des besonderen damit verbundenen Gruseleffektes.
Für die meisten der bei den Séancen auftretenden Effekte gibt es plausible natürliche Erklärungen, die keine Manifestation von Geistern erfordern. Das bedeutet nicht, dass es keine Geister geben könne, sondern dass die meisten Effekte nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Sie sind keine Kundgaben aus der geistigen Welt, sondern Täuschungen aus dem eigenen Inneren.
Jeder, der schon einmal ein Pendel in der Hand gehalten hat, weiß wie schwer es ist, es ruhig zu halten. Kleinste Bewegungen am oberen Ende werden durch die Schwingungen verstärkt und bringen den Ausschlag hervor. Dabei muss man gar nicht bewusst das Pendel manipulieren wollen – es kann auch so zum Instrument der Anzeige der eigenen unbewussten Wünsche und Ängste, Träume und Hoffnungen werden. Geister sind nicht nötig, um es herumzuschubsen. Das kann jeder selbst viel einfacher.
Beim Gläserrücken sitzen die Beteiligten im Kreis und legen jeweils einen Finger auf den Rand eines Glases. Wie beim Pendeln entsteht der Effekt dass sich das Glas bewegt dadurch, dass man meint dafür viel mehr Kraft zu benötigen, als es tatsächlich der Fall ist.
Natürlich bleibt die Frage, woher Glas oder Pendel manchmal verblüffende Details zu „wissen“ scheinen, die nur einigen der Beteiligten bekannt sind. Offenbar sind einige – besonders die überindividuellen – Zusammenhänge der menschlichen Psyche noch unzureichend erforscht um hier eindeutige Antworten geben zu können. Gottes Schöpfung ist weitaus vielfältiger als der kleine uns einsichtige Bereich. Darum muss man aber nicht alles unerklärliche vermeintlich allwissenden Geistern aus der Finsternis zuschreiben.
Sind Pendeln und Gläserrücken nun harmloser Zeitvertreib oder gefährlicher Dämonenkult? Weder das eine, noch das andere trifft den Kern der Sache.
Die Bibel warnt vor der Anwendung einer Reihe von Orakelpraktiken, zu denen auch die Totenbeschwörung gehört. Sie tut dies nicht, weil man sich dadurch eine gleichsam automatisch eine magisch wirkende okkulte Belastung einfängt, sondern weil die Gefahr besteht, dass man in geistige Bindungen gerät, aus denen man sich nur schwer wieder lösen kann.
Wer z. B. das Pendel nach seinem Todestag befragt, wird hinterher nicht mehr so unbeschwert weiterleben können wie vorher. Egal wie sehr man sich versucht klarzumachen, dass das alles sicherlich Quatsch sei – der Gedanke daran lässt sich nicht so leicht wieder vertreiben.
Auch wenn während einer Séance etwas Ungewöhnliches geschieht, kann schnell der erwünschte Gruseleffekt in eine nicht mehr gewünschte, weil nicht beherrschbare Angst umschlagen. Solche Angst aber macht unfrei. Darin liegt die mitunter dämonische Wirkung spiritistischer Experimente und davor möchte uns die biblische Warnung bewahren.
Neben dem experimentellen Umgang mit spiritistischen Techniken ist Satanismus als Protesthaltung eine häufige Form des Jugendsatanismus. „Mancher Jugendliche dekoriert sein Zimmer mit satanistischen Symbolen, oder was er dafür hält, insbesondere in der Absicht, damit seine Familie zu erschüttern.
In unserer Zeit eignet sich der Satanismus als Protestform Jugendlicher insbesondere wegen seiner Zweifrontenposition. Ein jugendlicher Satanist schockiert seine christlichen Eltern, weil er ihre Religion umkehrt und verballhornt, seine atheistischen Eltern aber nicht weniger, weil er sich einer religiösen Macht unterwirft und die Kraft der Vernunft verabschiedet. Insofern treffen sich im Satanismus protestbereite Jugendliche aus christlichen wie aus atheistischen Elternhäusern.
Jugendsatanismus als Protestform passt daneben bestens in die Entpolitisierung und Individualisierung der Jugend hinein. Statt gemeinsamer politischer Aktion zur Veränderung der Gesellschaft wird zwecks Protest das eigene Zimmer satanistisch dekoriert. Damit zeigt sich gerade im Protest eine weitgehende Übernahme der Ideenwelt der gegenwärtigen Gesellschaft: Unserer Gestaltung ist nurmehr der eigene Privatbereich zugänglich.
Tritt der Jugendsatanismus über den individuellen Raum hinaus, sind seine Aktionen weitgehend destruktiv: Schmierereien, Grabschändungen und derartiges wird ab und an ausgeführt. In der Destruktivität dieses Protestes zeigt sich dessen Hilflosigkeit: Er hat keinerlei Gestaltungskraft, er entwirft keine positive Alternative zur Gesellschaft. Er bleibt im Neinsagen stecken.“(1)
Beispiele für eine Hinwendung zum Satanismus aus Protest geben die Biographien vieler Satanisten ab. Marilyn Manson, mit bürgerlichem Namen Brian Warner und nicht nur in den USA weit gehasster Bürgerschreck, stammt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus. In der Heritage Christian School erlebte er eine enge fundamentalistische Weltsicht mit apokalyptischen Ängsten und ständiger Furcht vor Verführungen des Satans. Er wurde Zeuge ritueller Verbrennungen von Rock-LPs und der Bekämpfung von Queen als satanischer Gruppe wegen ihrer Bejahung der Homosexualität.(2)
Mansons Satanismus ist nur als Reaktion auf diese unverarbeiteten Jugenderlebnisse zu verstehen. Er will schockieren, provozieren, erregen. Dies ist im Effekt allerdings keineswegs harmlos.
Mitunter wird Satanismus von Cliquen Jugendlicher benutzt, um sich eine eigene Gruppenidentität zu verschaffen. Dabei dient der Satanismus in erster Linie der Abgrenzung nach außen: er hält diejenigen fern, die man nicht dabei haben möchte. Darum wird das satanistische Image plakativ nach außen gezeigt.
In diesen Kontext gehören auch „satanistische“ Mutproben als Aufnahmerituale in die Clique. Mitunter (aber keineswegs immer) wird Arkandisziplin vereinbart, um den internen Zusammenhalt zu erhöhen.
Je nach Sozialstruktur innerhalb der Clique kann für den Einzelnen ein gewisser Druck entstehen. Dies gilt insbesondere, wenn der „Boss“ der Gruppe Satanismus benutzt, um interne Rangordnungen zu stabilisieren und es dem Jugendlichen nicht möglich ist, das soziale Umfeld zu wechseln.
In der Regel sind solche Gruppen klein und spontane Bildungen mit bestimmten Personenkonstellationen. Das unterscheidet sie von okkulten Orden. Ausgangspunkt und Grund des Zusammenkommens ist der Freundeskreis, nicht der Satanismus an sich.
Oft wird darum auch kein großer liturgischer Aufwand betrieben. Die Inhalte der gemeinsamen „Rituale“ sind von dem bestimmt, was die Jugendlichen aus der Bravo oder dem Fernsehen über die schrecklichen Taten der Satanisten erfahren haben. Auch Aufklärungsbücher können „gegen den Strich“ gelesen und als Ritualvorlagen missbraucht werden. Entscheidend ist aber weniger religiöse Vergewisserung, sondern ein möglichst großer emotionaler Kick.
Eine gewisse Rolle nimmt dabei das Opfern von Tieren ein, das demgegenüber in Gruppen erwachsener „religiöser“ Satanisten eine Ausnahme darstellt und z. T. sogar prinzipiell abgelehnt wird. (z. B. in der Church of Satan LaVeys sind Tieropfer verpönt.) Bei den erwachsenen Satanisten spielt stattdessen die sexuelle Komponente eine größere Rolle, die unter Jugendlichen weniger ausgeprägt ist.
Besonders problematisch wird es, wenn zusätzlich Drogen ins Spiel kommen oder Satanismus von kriminellen Anführern zur Gewinnung duldsamer Untergebener benutzt wird. Als Ideologie des Bösen bietet er sich für solche Zwecke an. Glücklicherweise ist dies kein Massenphänomen, sondern auf Einzelfälle beschränkt.
1) G. Schmid: Geht die Jugend zum Teufel? (http://www.relinfo.ch/satanismus/jugendtxt.html)
2) Roman Schweidlenka: Satanischer Zeitgeist, Materialdienst der EZW 7/2001, 235 f.
Sage mir, was du hörst, und ich sage dir, wer du bist. Diese einfache Formel stimmt nicht immer, auch wenn unbestritten bleibt, dass jugendliches Lebensgefühl in besonderer Weise über die Musik transportiert wird. Dies gilt auch für eine besondere Sparte des Heavy Metal: Dark Metal bzw. Black Metal.
Die Klänge sind meist von harten Gitarrensounds und krächzendem Gesang geprägt, was es ungeübten Ohren mitunter schwer macht, anderes als Krach zu vernehmen. Mehr noch als der Klang bedienen sich Texte, Outfit, Bühnenshow aus dem Fundus satanistischer Vorstellungen, um das Publikum zu schocken. Die Absicht dahinter ist eindeutig: wer am meisten provoziert, macht von sich reden und verkauft seine CDs besser. Ob die Formel „Je schlechter die Musik, desto drastischer die Bühnenshow“ zutrifft, müssen Kundigere entscheiden.
Blasphemie, Gewalt, Aggression und nicht selten Identifikation mit dem Bösen sollen hier als Verkaufsanreiz dienen – zumindest in den meisten Fällen. In wieweit die Bandmitglieder selbst Satanismus als Religion für sich praktizieren, oder lediglich das Image verwenden, bleibt meist offen. Nach einer Expertenschätzung liege der Anteil der Musiker, die selbst wirklich an Satan und Dämonen glauben lediglich bei einem Prozent. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, wie solche Musik, Texte und Shows auf einen Menschen wirken. Es ist schwer vorstellbar, dass man über Jahre hinweg auf der Bühne Aggression und Gewalt propagiert, ohne dass dies Rückwirkungen auf die eigene Person mit sich bringt.
Die Motive für das Hören solcher Musik können durchaus verschieden sein. Die Möglichkeit, dass jemandem einfach diese Art der Musik gefällt, ohne dass derjenige mehr damit verbinden würde, muss zugestanden werden.
Die Wahl der Musik korreliert bei Jugendlichen oft mit der Wahl der Freunde und kann der Abgrenzung dienen. In meiner Jugend hörte Heavy Metal, wer die Typen nicht ausstehen konnte, die Modern Talking mochten.
Auch innerfamiliäre Motivationen sind wichtig: „Selten hören Eltern und Kinder mit Freude die gleiche Musik, eher fühlen sie sich gegenseitig von der jeweiligen Musik &Mac226;genervt‘, Eltern zusätzlich durch die Lautstärke, mit der ihre Kinder die Musik hören. Klaffen die Musikgeschmäcker besonders stark auseinander, sind heftige Streitereien vorprogrammiert. Hat das Mädchen oder der Junge in der eigenen Sozialisation bisher wenig Loslösungsmöglichkeiten und Chancen zur Selbstentwicklung erhalten, steigt die Notwendigkeit, sich besonders deutlich abzugrenzen. Hardrock und Heavy-Metal als Musikrichtungen sind hierfür besonders geeignet, wenn das Bedürfnis nach Dramatik, Destruktivität, Macht und Gewalt auf offene Ohren der Konsumierenden trifft. Reicht dieses Phänomen zur Abgrenzung nicht aus und ist das Gewaltpotential besonders stark ausgeprägt, bietet sich die Hinwendung in speziellere Bereiche der Metal-Musik an: die Black-, Trash-, Death- oder Occult-Metal-Musik.“(1)
Ein verantwortungsvoller Umgang wird Übertreibungen zu vermeiden suchen (nicht jeder Black-Metal-Fan ist praktizierender Satanist) aber auch die Probleme ansprechen. Texte und Auftritte mancher Bands eignen sich nicht zur Verharmlosung. In den USA ermordeten 1996 drei Jugendliche ein 15jähriges Mädchen, die nach eigenen Angaben von der Band „Slayer“ zu der Tat angeregt wurden. (Vgl. Confessio 1/2001, 1). Auch beim „Satansmord“ von Sondershausen war das Aggressionspotenzial bereits in der Musik angelegt. Wenn die Propagierung rücksichtsloser Gewalt auf der Bühne bei psychisch labilen Anhängern zu tatsächlich praktizierter Gewalt wird, kann man die Musiker moralisch nicht von der Mitschuld freisprechen. Dass auch theologisch gesprochen der Teufel seine Hände im Spiel hat, wenn derartiges geschieht, ist offensichtlich.
1) Zit. n. May/Remus: Rituelle Gewalt, 218 f.
Erstaunlich selten wird der Zusammenhang zwischen satanistischer Gesinnung und Horrorfilmen thematisiert. Dabei kommt in kaum einer anderen Kulturform das Satanische so deutlich zur Geltung, wie bei Horrorfilmen. Dabei ist es gar nicht nötig, dass der Teufel selbst im Film agiert oder Teil der Handlung ist. Die Freude an und das freiwillige Betrachten von Angst und Schrecken anderer Menschen, grausamen Morden, brutalen Verstümmelungen oder subtilem Psychoterror kann sich schwerlich positiv auf die seelische Gesundheit auswirken.
Es ist bezeichnend, dass immer wieder Satanisten in ihrer Biographie davon berichten, wie sie über das Sehen von Horrorfilmen zum Satanismus gekommen sind. (1)
Ähnliches gilt für manche Phantasy-Comix und Rollenspiele, die oft eine gehörige Portion finsterer Mystik und großer Brutalität transportieren.
1) z. B. www.lexsatanicus.de
Immer häufiger kommt es in der letzten Zeit vor, dass Menschen, die an einem Wochenendmorgen auf dem Friedhof die Gräber ihrer Lieben besuchen wollen, eine unliebsame Entdeckung machen: Grabsteine sind beschmiert, manche gar umgestoßen, Kreuze abgebrochen, Grabschmuck und Blumen ausgerissen - der Friedhof hat ganz offensichtlich nächtlichen Besuch erhalten. Die angebrachte Symbolik macht schnell klar, in welcher weltanschaulichen Ecke sich die Täterschaft positioniert. Kreuze wurden verkehrt herum wieder in den Boden gesteckt, Pentagramme - fünfzackige Sterne - und das Zeichen des Antichristen, die Zahl 666, prangen in noch frischem Farbspray gehalten auf den Grabsteinen. Offenbar ist hier eine satanistische Formensprache beabsichtigt.
Zumindest in der Schweiz scheint diese Form der Grabschändung in Mode gekommen zu sein. Alle paar Wochen wird ein Fall publik, dazu kommen zahlreiche weitere Taten, die aus Furcht vor Nachahmern und Trittbrettfahrern der Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis gebracht werden. Das jüngste Beispiel, die Aktion in Luzern vom 20. Juli 2001, welcher 86 Grabsteine zum Opfer fielen, zeigt als bisher umfangreichste Grabschändung in der Schweiz eine Eskalation auch betreffs der Menge der verunzierten Gräber.
Störung der Totenruhe schockiert. Deshalb ist den Tätern zweierlei gewiss: Ein ausgeprägtes Medieninteresse und eine durch diese Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mitbedingte recht hohe Wahrscheinlichkeit, früher oder später gefasst zu werden. Meist zeigt sich dann, dass die Aktion mit Satanismus in organisierter Form weniger zu tun hatte, als ursprünglich vermutet wurde.
Im Folgenden sollen aus den Erfahrungen unserer Infostelle heraus einige Überlegungen zur typischen Täterschaft von satanistischen Grabschändungen, zu deren Motiven und zu allfälligen Möglichkeiten der Prävention dargelegt werden.
Die in den letzten Jahren aufgeklärten Fälle von Grabschändungen mit satanistischer Symbolik weisen auf eine recht spezifische Täterschaft hin. Es handelt sich bevorzugt um junge Männer im Schulentlassenen- und Berufslehralter oder knapp darüber; die besuchte Schulstufe ist typischerweise eher tief; operiert wird in kleinen Gruppen von drei bis fünf Leuten. Oft handelt es sich um Ersttäter, die zuvor kaum durch satanistisches Interesse aufgefallen sind.
Motive
1. Protest
Dass sie protestieren wollten, gegen die Erwachsenenwelt und gegen deren Werte, ist das von Grabschändern meistgenannte Motiv. Grabschändung ist Protest, Protest gegen eine Gesellschaft, die den Grabschänder überfordert, ihm zuviel abverlangt, ihm Regeln auferlegt, denen er sich nicht beugen mag. Grabschänder sind oft beruflich wenig erfolgreiche junge Menschen. Es der Allgemeinheit heimzuzahlen ist der wichtigste Antrieb des Grabschänders.
Er sucht sich mit dem Friedhof einen der letzten Bereiche aus, welcher auch in unserer weltanschaulich pluralistischen Gesellschaft durch ein Tabu geschützt ist. Dass die Totenruhe gewahrt werden muss, dieser Maxime stimmen beinahe alle Menschen im Mitteleuropa der Jahrtausendwende zu, ganz egal, ob sie sonst atheistisch, christlich, jüdisch, muslimisch oder theosophisch-esoterisch denken. Mit einer Grabschändung ergibt sich für die Täterschaft folglich die Gelegenheit, den Grossteil der Mitmenschen zu schockieren - ohne jemanden an Leib und Leben gefährden zu müssen. Kaum ein anderes Ziel böte diese Möglichkeit.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der satanistischen Symbolik. Auf den ersten Blick mag es eigenartig scheinen, dass der Satanismus im Osten Deutschlands ganz besonders im Schwange ist, wo die Christen eine Minderheit darstellen - wird doch der Satanismus gerne als Gegenbewegung zum Christentum wahrgenommen. Mit satanistischer Symbolik kann der junge Mensch allerdings nicht bloß seine christlichen Eltern beunruhigen, auch atheistische Eltern sehen es mit Besorgnis, wenn ihr Sprössling die Kraft der Vernunft derart plakativ verabschiedet und sich einer höheren Macht überantwortet, die traditionell für Irrationalismus und Hingabe an dunkle Gefühle steht. Der Bruch zwischen Atheismus und Satanismus ist nicht geringer als derjenige zwischen Satanismus und Christentum.
So wird auch klar, warum die satanistischen Grabschänder gewissermaßen ihr Ziel verfehlen. Satanistischer Protest reinster Lehre müsste sich eigentlich gegen Kirchen richten, nicht gegen Friedhöfe. Auf Friedhöfen betrifft man alle, auch den einen oder anderen okkulten "Glaubensgenossen". Aber die Verunzierung von Kirchen birgt weit weniger gesamtgesellschaftliches Schockpotenzial in sich als die Störung der Totenruhe. Nicht nur aktive Kirchgänger - zu denen die eigenen Eltern und der Lehrmeister meist eben gerade nicht gehören - sollen mit der Aktion getroffen werden, sondern das Gros der Gesellschaft.
Oft zeigen die angebrachten Spuren auf den Friedhöfen deutlich, dass der Satanismus von der Täterschaft bloß angelernt wurde. Spezifische Symbole, die einige Fachkenntnis verlangt hätten, fehlen. Was sich findet, ist das, was unter jungen Menschen allgemein als satanistisch bekannt ist: das umgekehrte Kreuz, der fünfzackige Stern, auch Pentagramm genannt, und die 666 des Antichristen aus dem letzten Buch der Bibel, der Johannes-Offenbarung. Bei organisierten und gebildeten Satanisten haben zwei dieser Symbole, das umgekehrte Kreuz und die Zahl 666, eine eher untergeordnete Bedeutung. Aufgesprayt werden also nicht die für den Satanismus besonders wichtigen Symbole, sondern diejenigen, die allgemein dafür gehalten werden. Satanismus ist bei Grabschändungen Protest, kaum Ideologie.
2. Faszination des Todes
Viele Jugendliche, und um solche handelt es sich bei Grabschändern meist, interessieren sich intensiv für den Tod. Das zunehmende Bewusstsein der eigenen Individualität und deren Krisen macht die Frage nach dem Ende des Individuums und nach einem allfälligen Weiterbestehen nach dem Tod drängender. Mittels Gläserrücken wird versucht, die Existenz nach dem Tod quasi experimentell zu beweisen. Bei Wahrsageversuchen wird oft der Zeitpunkt des eigenen Todes nachgefragt. Manche junge Menschen erleben den Tod als Bereich der Ruhe, des Friedens, des Endes aller Zwänge oder des eigentlichen Seins und empfinden sich gewissermaßen als "lebende Tote". Sie schließen sich vielleicht der Gruftie- oder Gothic-Szene an, die zu ganz wesentlichen Teilen aus jungen Menschen besteht.
Der Friedhof ist für viele junge Menschen deshalb ein Ort besonderen Interesses. Und dies ist naturgemäß kein neues Phänomen. Schon die Jungmannschaften vergangener Jahrhunderte trafen sich gern auf dem Friedhof, und ihr dortiges Treiben verletzte die Totenruhe mitunter massiver als moderne Grabschändungen. So wird vom Ausgraben von Toten und vom Verzehr von Leichenteilen berichtet. Makabres Tun Jugendlicher auf dem Friedhof hat also Tradition, neu hinzugekommen ist in den letzten Jahren die satanistische Symbolik.
3. Mutprobe
Schon die Rituale von Jungmannschaften auf dem Friedhof trugen den Charakter der Mutprobe. Der Friedhof ist faszinierend und beängstigend zugleich. Diverse Zombie- und Gruselfilme trugen in den letzten Jahrzehnten das ihre dazu bei, dass zu nächtlichem Besuch des Friedhofs ein gerüttelt Maß Kaltblütigkeit dazugehört. Wer sich gar noch traut, die Toten in ihrem Frieden zu stören, muss - so das Plot mancher Filme - erst recht mit gespenstischen Gegenwirkungen rechnen. Der Grabschänder begegnet auf dem Friedhof eigenen Ängsten und überwindet sie. Er kann sich selbst als Held wahrnehmen.
4. Aggressionsstau
Grabschändung ist Vandalismus. Vandalismus ist eine gescheiterte, weil rein destruktive Form des Aggressionsabbaus. Mancher junge Mensch, beruflich und vielleicht auch privat wenig erfolgreich, kassiert Frust, ohne dass er über ein Ventil zum Abbau der Aggressionen verfügen würde. So entlädt sich das Angestaute in Zerstörung. Ganz offensichtlich nimmt der Vandalismus in der Schweiz parallel zu den Grabschändungen zu. Es scheint einer zunehmenden Zahl von Jugendlichen an Möglichkeiten zu fehlen, mit Aggressionen sinnvoll umzugehen.
5. Selbstwirksamkeit
Das öffentliche Interesse an Grabschändungen, so verständlich es ist, wirkt sich auf Folgetaten leider förderlich aus. Je mehr die Medien über Grabschändungen berichten, umso attraktiver werden Friedhofsverunstaltungen für die potenzielle Täterschaft. Durch die Medienberichte erhält der beruflich wenig erfolgreiche junge Mensch eine Chance, die er sonst nie hätte: Seine Tat, sein Werk erfährt öffentliche Aufmerksamkeit. Seine Graffitis werden im Fernsehen gezeigt. Experten mutmaßen darüber, wer er sein könnte und was seine Motive sind. Die Polizei erlässt einen Zeugenaufruf. Der Täter ist gewissermaßen "auf der Flucht." Der junge Mensch erfährt Selbstwirksamkeit, sein Tun hat Folgen für breite Kreise. Er ist nicht mehr bloß ein Getriebener im Strom des Lebens, er hat den Strom - wenn auch nur kurz - erheblich mit beeinflusst. Das Streben junger Menschen nach Selbstwirksamkeit, nach der Erfahrung eigener Wirkung auf andere, wird durch Grabschändung ohne großen Aufwand erfüllt. In diesem Licht ist die Zurückhaltung der Behörden bei der Publikation von Grabschändungen sicher sinnvoll.
Serien
Oft bleibt eine Grabschändung im Leben eines jungen Menschen Episode. Er kommt zusammen mit Kollegen im Alkoholrausch auf die Idee, mal ein paar Grabsteine zu versprayen und umzuhauen. Ist die Sache durch, hat man’s gesehen. Satanistisches Interesse war weder vorher noch nachher im Spiel, die satanistische Symbolsprache wurde gewählt, um die Schockwirkung zu verstärken, und nicht zuletzt auch, um die Ermittlungsbehörden auf eine falsche Fährte, nämlich diejenige organisierter Satanisten, zu locken.
Es kann aber auch vorkommen, dass Grabschändung zur Serientat wird, dass es eine Gruppe junger Menschen nicht bei einer Aktion bewenden lässt, sondern immer wieder im selben Sinne tätig wird. Die erfahrene Entlastung von Aggression und die erlebte Selbstwirksamkeit heischen nach Wiederholung. Eine satanistische Weltanschauung muss auch bei Serientätern nicht gegeben sein.
Seltener geschieht es, dass sich Grabschädergruppen eine satanistische Ideologie zulegen, wie das bei der Ende der Neunzigerjahre aktiven Gruppe aus Horgen der Fall war. Beginnen sich junge Menschen, die zuerst aus dumpfem Protest und aus Aggressionen heraus sich an Friedhöfen vergriffen, für den Satanismus als Weltanschauung zu interessieren, dann wird es nicht bei Grabschändungen bleiben. Satan will nicht bloß Destruktion, er will auch aktiv verehrt werden - das Motto "do ut des", die Vorstellung, dass der Gottheit gegeben werden muss, damit sie einem Kraft und Unterstützung wiedergibt, findet sich auch im Denken jugendlicher Satanisten. Magische und Tieropferrituale werden folglich dazukommen und die destruktiven Aktionen vielleicht gar in den Hintergrund drängen. Die Aggression kann sich in Ekeltrainings gegen den Satanisten selbst richten. Am Ende kann sich eine Dynamik ergeben, die ohne Intervention von außen nicht mehr zu stoppen ist.
Abgrenzungen
Gerne werden Grabschändungen mit zwei Strömungen in Verbindung gebracht, die zwar zu Friedhöfen eine gewisse Affinität aufweisen, als Grabschänder aber eher nicht in Frage kommen. Sowohl organisierte Gemeinschaften erwachsener Satanisten als auch Gruppen von Grufties kann man durchaus nächtens auf Friedhöfen antreffen, Beschädigungen verursachen sie jedoch in aller Regel nicht.
1. Organisierte Gemeinschaften erwachsener Satanisten
Die in der Schweiz vertretenen Gemeinschaften erwachsener Satanisten interessieren sich weniger für Friedhöfe als landläufig angenommen wird. Zwar mag mancher Friedhof als Kraftplatz gelten und sich als Standort für ein schwarzmagisches Ritual anbieten, in der Regel sind Plätze in der Natur oder auf vermuteten oder wirklichen alten Kultstätten aber interessanter. Wird ein Friedhof als Kraftort benutzt, wäre seine Zerstörung kontraproduktiv. Die magische Kraft des Ortes würde eliminiert. Und wer entlädt schon seine Batterie, bevor er sie in die Taschenlampe steckt?
Kommt dazu, dass die öffentlichkeitsfreudigen satanistischen Orden sich beobachtet wissen und penibel auf Einhaltung geltender Gesetze achten. Hier ist insbesondere Markus Wehrli alias Fra Satorius, der "Prior" des "Schwarzen Ordens von Luzifer" zu nennen, der sich durch seine Fernsehkamerafreudigkeit mittlerweile als "schwarze Uriella" (mit ähnlichem Unterhaltungswert) etabliert hat. Wehrli wird kaum den Fehler begehen, graffitisprayend durch die Lande zu ziehen. Die Problematik des "Schwarzen Ordens" liegt anderswo - bei der sozialdarwinistischen und vom Nazidenker Wiligut inspirierten Ideologie.
2. Grufties / Gothic People
Die Angehörigen der Gothic--Szene oder Grufties, wie man früher eher sagte, sind zweifellos diejenigen Menschen, die sich zu Friedhöfen am meisten hingezogen fühlen. Ihr dunkles Lebensgefühl, durch schwarze Kleidung und weißes Makeup zum Ausdruck gebracht, lässt Friedhöfe zu begehrenswerten Plätzen des Verweilens werden. Tod und Tote besitzen eine positive Ausstrahlung. Der Friedhof vermittelt Heimatgefühle. So bieten zahlreiche Gothic-Websites Bilder von Friedhöfen und Grabdenkmälern an. Manche Vertreter der Gothic-Szene machen von Friedhöfen zwar einen erotischen Gebrauch, der auch nicht ganz den Vorstellungen der Allgemeinheit über die Wahrung der Totenruhe entspricht, aber eine Verunzierung der Friedhöfe würde einer Destruktion des eigenen Wohnzimmers gleichkommen. Grufties besuchen Friedhöfe gerne, lassen sie aber in Ruhe.
Prävention
Grabschänder sind junge Menschen, die sich von der Gesellschaft vernachlässigt oder unterdrückt, beruflich und vielleicht auch privat überfordert und zu wenig beachtet fühlen. Zudem fehlt ihnen die Gelegenheit, Aggression abzubauen. An diesen Punkten muss Prävention einsetzen:
- "Hätte ich einen Kampfsport betrieben, so wäre ich nicht Satanist geworden," meinte der Anführer der Horgener Satanisten anlässlich einer Radiosendung. Dem ist wenig beizufügen. Die Beobachtung bestätigt sich in der Praxis immer wieder. Vandalismus ist ein Ventil junger Menschen, die über kein anderes verfügen.
- Vandalismus ist immer auch Ausdruck einer aktuellen Krise, die nicht mehr bewältigt werden kann. Hier braucht der junge Mensch Hilfestellung und Aufmerksamkeit seiner Umwelt.
- Das Gefühl, zumindest im persönlichen Umfeld "einen Unterschied zu machen", ist für junge Menschen unerlässlich. Wer den Eindruck erhält, ohne ihn ging’s genauso gut oder gar noch besser, muss Selbstwirksamkeit woanders beziehen.
- Zu Mutproben und Protest eignet sich der Friedhof bloß, weil das Tabu zwei Seiten hat. Der Friedhof ist tabu in dem Sinne, dass man ihn in Ruhe lässt - nicht nur physisch, sondern auch thematisch. Man spricht nicht drüber, wenn man nicht muss. Der Bereich des Todes wird dem Alltag enthoben, etwas Besonderes, das nicht zum Leben gehört. Wer zum Friedhof einen natürlichen, selbstverständlichen und vertrauten Zugang gewinnt, für den eignet sich der Friedhof für Protest ebenso wenig wie z.B. das Spital. Eine Soap-Opera um einen Totengräber wird nicht abzudrehen sein, aber im Unterricht, insbesondere im kirchlichen, kann ein selbstverständlicher Umgang mit Sterben, Tod und Friedhof eingeübt werden.
Georg Otto Schmid, 2001
Die wohl berühmteste Gestalt des modernen Satanismus war streng genommen gar keiner. Alexander Edward Crowley (1875-1947) verehrte keinen Teufel, sondern bezeichnete sich selbst als das große Tier aus der Johannesoffenbarung und nannte sich The great Beast 666 (gern auch griechisch: to mega therion).
Crowley stammte aus einer sehr frommen, puritanischen Familie, die den Plymyth Brethren angehörte. Seine Mutter hatte keine glückliche Hand in der Erziehung des eigenwilligen Kindes und ihre Versuche schlugen in das Gegenteil um. Er erfreute sich an seinem grenzenlos schlechten Ruf und gab sich die größte Mühe, dass er ihm stets vorauseilte.
Seine grundlegenden Erfahrungen mit ritueller Magie und esoterisch–okkulter Tradition machte er im Hermetic Order of the Golden Dawn, der am Streit um ihn zerbrach. Crowley bereiste die Welt und verprasste das ererbte Vermögen, um fortan auf Kosten seiner Anhänger zu leben.
In Kairo entdeckte er 1904 im ägyptischen Museum eine Stele des ägyptischen Gottes Horus, die die Museumnummer 666 trug - für ihn eine Offenbarung. Im Anschluss verkündete er das Gesetz von Thelema, das ihm von dem Geistwesen Aiwass im Liber Al vel Legis diktiert worden sei, als Gesetz des neuen Aons.
Wieder in Europa wurde er Mitglied des von Theodor Reuß begründeten Ordo Templi Orientis (O.T.O.), der in seinen inneren Graden Sexualmagie praktizierte und damit auf Crowleys besondere Vorlieben traf. Crowley übernahm den Orden, der zeitweise mehr Grade als Mitglieder hatte, und benutzte ihn als Geldbörse und Spielwiese für seine exzentrischen Ideen. Er gründete Ableger in den USA, mit denen auch L. Ron Hubbard, der Gründer von Scientology, in Berührung kam.
1920 bezog er mit einigen Anhängern in Sizilien ein Haus, das er zur „Abtei Thelema“ erhob. Es war ein Ort wilder Ausschweifungen, mit hohem theatralischem Aufwand inszenierter sexualmagischer Riten und heftiger Drogenexzesse. Als Crowley 1947 starb bezeichnete ihn die Presse als verderbtesten Menschen der Welt.
Gegenwärtig existieren eine unübersichtliche Vielzahl von O.T.O.-Nachfolgeorganisationen, die sich auf das Gesetz von Thelema berufen und in Crowleys Tradition stehen.
Seine komplizierte Lehre ist nicht leicht verständlich und vermischt verschiedene Elemente miteinander. Besonders die ägyptische Götterwelt hatte es ihm angetan. Nach seiner Auffassung beruht das Universum auf dem Zusammenwirken dreier Wesenheiten: Nuit, Hadit und Ra-Hoor-Kuit. Nuit steht für das Nichts und den unbegrenzten Raum, Hadit für das Zentrum bzw. den Willen und Ra-Hoor-Kuit für die ständige Vereinigung von Nuit und Hadit.
Crowleys Popularität ist ungebrochen. Etliche seiner Schriften werden in Neuauflagen wieder herausgebracht. Für manche ist Crowley als Schwarzmagier und Satanist abschreckendes Beispiel oder gar Verkörperung des Antichrist, für andere Vorbild und größter Magier des Westens. John Symonds schrieb anhand von Crowleys Tagebuchaufzeichnungen und anderen Dokumenten aus dem Nachlass Crowleys Biographie. Diese zeigt weder den Antichrist, noch den größten Magier, sondern eine Geschichte menschlichen Elends voll krankhafter Selbstüberschätzung und einer Bindungs- und Heimatlosigkeit, über die auch die stets neuen Provokationen der Umwelt nicht hinwegtäuschen können.
Harald Lamprecht, 9/2001
Das Gesetz von ThelemaDas Gesetz des Starken: Das ist unser Gesetz. |
Zur Walpurgisnacht 1966 gründete Anton Szandor LaVey in Kalifornien die „Church of Satan“ – trotz mancher Wirren eine der bekanntesten satanischen Organisationen der Gegenwart.
LaVey erlebte als jugendlicher den Zweiten Weltkrieg mit seinen Grausamkeiten. Nach seinem vorzeitigen Abgang von der Mittelschule war er Zirkusdompteur und Musiker. Er dressierte Raubkatzen und orgelte auf dem Jahrmarkt, vereinzelt auch in Kirchen. Nach seiner Hochzeit wurde er Polizeifotograf in San Francisco und musste zahllose Opfer von Gewaltverbrechen fotografieren. „Ich fragte mich: Wo ist Gott? Ich begann, die frömmlerische Haltung der Menschen gegenüber der Gewalt zu verachten, die immer wieder sagten: Es ist Gottes Wille.“(1)
In seiner Freizeit studierte er eifrig okkulte Themen, beschäftigte sich mit Werwölfen, Vampiren, Geistererscheinungen und magischen Zeremonien. Bald sammelte er um sich einen Club von Okkultismusfreunden, mit dem schwarze Rituale praktiziert wurden. Als LaVey sich den Kopf kahlrasierte, entstand aus diesem Kreis die Church of Satan – die Kirche Satans.
„Das neue Aussehen des Meisters entsprach angeblich altem satanistischen Brauch. In jedem Fall aber entsprach mit seinem kahlen Kopf und seinen dunkeln ,Schlitzaugen‘ und seinem Bärtchen ganz dem Bild, das man sich von einem Teufelsknecht macht. Als Kleidung bevorzugte er demonstrativ den schwarzen Kragen mit weißem Rand des katholischen Priesters. Vom Fuß bis zum Hals wirkte er wie ein Priester, darüber wie der Teufel. Genau auf diese Mischung hatte er es abgesehen. Bewusst nannte er seine neue Organisation ,Kirche‘. Das bringt in den USA nicht nur steuerliche Vorteile. Er gewann damit auch soziale Privilegien. Als Kirche konnte die Fangemeinde von LaVey mit ihren Ritualen christliche Zeremonien ersetzen. […] Manche dieser Riten, öffentlich gefeiert, erregten gewaltiges Aufsehen in der nationalen und internationalen Presse. Eine Aufnahme aus einem Hochzeitsritual zeigte eine nackte Frau, halb bedeckt mit einem Leopardenfell, die LaVey während des Rituals als Altar diente. Das Bild wurde in vielen Zeitschriften publiziert und machte die Kirche Satans zum Presseereignis. LaVey genoss seine Berühmtheit. Der Presse und dem Wunsch der geängstigten Massen zuliebe stürzte er sich ab und zu bei Ritualen in eine ausgesprochene Teufelskluft und setzte sich Masken und Hörner auf. Dies tat er, der nicht an das personifizierte Böse glaubte, weil ,Menschen Rituale mit Symbolen … brauchen‘ (a.a.O. S. 15). Durch seine Freude am schwarzen Ritual und satanischer Symbolik wurde LaVey auch zum Berater für Filmemacher mit quasiokkulten Ambitionen. In manchen Filmen, die den Teufel beschworen oder okkulte Riten einschlossen, war LaVey miteinbezogen. l969 spielte LaVey im Film des von Aleister Crowley inspirierten Kenneth Anger ,Invokation of My Demon Brother‘ den Teufel. In der Satanskirche wurde der Satanismus telegen. Film und Leben reichten sich die Hände.“(2)
Sein Hauptwerk, die „Satanische Bibel“ ist zu einem Bestseller geworden und hat – oft allein schon aufgrund des Titels – einen großen Einfluss auf die satanisch interessierte Jugend.
1957 spaltete sich unter Michael A. Aquino der „Temple of Seth“ von der Satanskirche ab. Im Unterschied zu LaVey glaubt Aquino an die personale Existenz Satans, nannte ihn aber Seth. Andere Ableger sind der „Black Order of the Trapezoid“ und der „Schwatze Orden von Lucifer“, die LaVeys Satanismus im deutschsprachigen Bereich verbreiten wollen.
Harald Lamprecht, 9/2001
1) LaVey: Die Satanische Bibel, 16.
2) G. Schmid: Die Satanskirche. Ihre Wurzeln, ihr Erfolg, ihre Tragik (www.relinfo.ch/satanismus/cos.html)
Die neun satanischen Grundsätze von A. S. LaVey
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Die wichtigste Regel für den Umgang mit satanistischen Phänomenen ist die Unterscheidung. Aufgrund der vielfältigen Richtungen des Satanismus ist es unerlässlich, zuerst zu analysieren, mit welcher Art man es im konkreten Fall zu tun hat. Danach richten sich die weiteren Vorgehensweisen, die je nach Richtung sehr verschieden sein können.
Die zweite wichtige Regel fordert eine angemessene Reaktion. Dies bedeutet: weder dramatisieren, noch ignorieren.
Handelt es sich um Satanismus als Protestphänomen, so bewirkt übertriebene Warnung und Polemik das Gegenteil des Erwünschten: eine Bestätigung, dass ein wirksames Protestmittel gefunden wurde. Hier ist eine ruhige Herangehensweise (ohne Verharmlosung) viel erfolgversprechender.
Auf der anderen Seite sollte man Äußerungen satanistischer Gesinnung aber nicht einfach ignorieren. Fast immer verbindet sich damit eine Absicht, soll etwas ausgedrückt werden wie z. B. ich brauche Hilfe, ich fühle mich unverstanden, ich habe ein Problem in meinem Leben oder mit meiner Umwelt. Diese Probleme müssen erkannt und angegangen werden, sonst kann sich daraus schlimmeres entwickeln. Das Kokettieren und die Identifikation mit dem Bösen im Satanismus ist keine gesunde Lebensform, keine Religion wie jede andere, sondern muss als Alarmsignal verstanden werden.
Nicht selten sind Menschen, die in satanistische Praktiken involviert waren, mit erheblichen Ängsten konfrontiert. Sie fühlen sich abhängig, in dämonischen Bindungen, von Magie bedroht.
Hier stellt die Möglichkeit, Vergebung der eigenen Sünde und Schuld zu erfahren und die Rettung durch Jesus für sich in Anspruch zu nehmen, für Christen eine große Hilfe dar. In der persönlichen Beichte kann belastende Erfahrung ausgesprochen und im Abendmahl die Zuwendung Gottes erlebt werden.
Harald Lamprecht, 9/2001
• Wenden–Gerlingen (Sauerland), März 2002:
Der 16jährige Schüler Björn A. tötet seine beiden Eltern mit dem Küchenmesser. Danach ruft er selbst die Polizei. Er habe den strengen Erziehungsstil seiner Eltern nicht ertragen, gab er zu Protokoll. Nach Auskunft einer Mitschülerin habe Björn für den Satanismus geschwärmt. Ebenfalls im Polizeiprotokoll: Er habe seine Eltern umgebracht, um sich von Satan zu befreien. Eine andere Mitschülerin, in die er verliebt war, hatte ihn zwei Tage vor der Tat zurückgewiesen. Sie meinte „Es war der Hass auf die Eltern, die sich in ihm angesammelt hatte.“
• Besancon (Ost–Frankreich), März 2002:
Zwei Schülerinnen foltern und quälen eine 14jährige Schulkameradin mit einem Messer. Die Staatsanwaltschaft meint, der „unheilvolle kulturelle Einfluss von Satanismus und Horrorfilmen könnte zu der grausamen Tat beigetragen haben.“ Eine der Täterinnen habe zugegeben, durch den Horrorfilm „Scream“ inspiriert worden zu sein. Die andere sagte aus, mit Skinheads an Satansriten auf Friedhöfen teilgenommen zu haben.
• Berlin–Mitte, März 2002
Die 32jährige Alexandra P. und die 45jährige Sabine W. stürzen sich in der Nacht aus dem 23. Stockwerk eines Hochhauses. Der Ehemann von Sabine W. berichtet, dass sich seine Frau seit einiger Zeit veränderte und von ihrem bisherigen Leben abkapselte. Bereits im Vorjahr hatte sie einen Suizidversuch unternommen. Im Internet soll sie Bekanntschaften in der Sado–Maso–Szene gesucht und dort auf Alexandra P. gestoßen sein, „einer jungen Frau, die sich offenbar dem Glauben an Satan verschrieben hatte und die später ihre Begleiterin in den Tod werden sollte.“
• Bezirk Murau (Österreich), März 2002
Ein 14jähriger Schüler aus Scheifling hat sich ohne erkennbares Motiv auf dem Dachboden seines Elternhauses erhängt. Für Eltern, Lehrer und Mitschüler kam das Ereignis völlig unerwartet. Niemals habe er über irgendwelche Probleme gesprochen. Zwar habe er „harte Musik“ gehört und gern schwarze Kleider getragen, aber das tun viele Jugendliche.
Zehn Tage später wird der Selbstmordversuch einer 14jährigen Schülerin aus Stadl bekannt. Sie gab an, „zwei Jahre in einer Sekte verbracht zu haben. Sie habe an so genannten schwarzen Messen teilgenommen. Nachdem sie „ausgestiegen“ sei, habe sie um ihre Familie Angst gehabt und deshalb beschlossen, Selbstmord zu begehen. Das Mädchen hat überlebt. Den Namen der Sekte weiß sie nicht.“ Die Gendarmerie findet bei ihren Untersuchungen keine konkreten Hinweise auf einen satanistischen Zirkel, aber viele wilde Gerüchte.
• Neubrandenburg, Juni 2002:
Eine 19jährige Frau und ein 21jähriger Mann überfallen in der Nacht einen 40jährigen Baggerfahrer mit einem Messer. Trotz Stichen in den Rücken, die Hand und den Kopf kann der Mann fliehen, die Täter werden festgenommen. Bei der Vernehmung gab das Paar an, die Tat hätte ihnen Satan befohlen. Sie wollten Menschenblut trinken. Beide sind wegen Rauschgiftdelikten und Körperverletzung bereits vorbestraft. Die Ermittler fanden an den Zimmerwänden des Neubrandenburger Paares Bilder von Manuela und Daniel Ruda, die im vorigen Jahr einen Arbeitskollegen auf angeblichen Befehl Satans mit 66 Messerstichen getötet hatten.
• Berlin, Juni 2002:
Satanisten haben die Gedächtniskirche geschändet. Mehrere junge Männer und Frauen ritzten sich tiefe Wunden in ihre Körper und schmierten Blut auf eine Infotafel. Eine Frau lief bis zum Altar, wischte sich Blut von ihrem Oberkörper und beschmutzte damit das Taufbecken. Als die Polizei kam, waren die Täter verschwunden.
• Istanbul, Juni 2002
Teufelsanbeter haben die Website der staatlichen türkischen Religionsbehörde attackiert. Besucher der Internet–Seite wurden mit Flüchen und Werbung für den Satanismus statt mit dem Bild einer Moschee und Links zu Themen wie der Pilgerreise (Hadsch) begrüßt. Eine brasilianische Gruppe namens „Satanic Souls“ sei für die Attacke auf die Website verantwortlich, berichtete die türkische Zeitung „Hürriyet“.
Acht Fälle der letzten Wochen aus verschiedenen Regionen, die durch ein gemeinsames Stichwort miteinander verbunden sind: Satanismus. Die Bezeichnung „Satanismus wird in solchen Zusammenhängen gern zur Erklärung ansonsten schwer begreiflicher menschlicher Taten bemüht. Aber was besagt sie wirklich? Handelte es sich bei all diesen Personen – wie es das Wort suggeriert – um „Satansanbeter“? Waren das Menschen, die den Teufel zu ihrem Gott erhoben haben und nun als Mitglieder einer großen gegengöttlichen Organisation danach trachten, durch Gewalt und Verbrechen ihren Meister zu ehren? Solche Vorstellungen passen aber nur selten zur Realität. Diese stellt sich wesentlich vielfältiger dar:
Im Fall von Björn A. kann man deutlich eine jugendliche Krisensituation erkennen. Der Vater empfand den Jungen als faul und reagierte mit Strenge, jener sah keine Perspektive und wurde außerdem noch von seiner Freundin abgewiesen. Der Mord geschah nach Björns Aussage nicht auf Befehl Satans, sondern um sich ihn ihm zu befreien – ein wichtiger Unterschied.
In Besancon haben Schülerinnen durch Horrorkonsum ihre normalen menschlichen Hemmungen verloren. In Berlin fand eine offenbar depressive Frau eine Partnerin zum Suizid – die näheren Umstände bleiben ebenso im Dunkeln wie bei dem Selbstmord des Schülers in Österreich. Im Fall der Schülerin aus Stadl sind typische Motive einer psychischen Störung zu erkennen, die Aufmerksamkeit und Zuwendung durch projizierte Schilderungen angeblicher satanistischer Erlebnisse im Zusammenhang mit einem Suizidversuch zu erlangen sucht. Der Neubrandenburger Mordversuch zeigt deutlich Züge einer Nachahmungstat von vorbestraften Jugendlichen, die auf der Suche nach dem ultimativen emotionalen Kick sind und dabei vor nichts zurückschrecken. Demgegenüber richtete sich die Schändung der Gedächtniskirche nicht gegen Menschen, sondern ist Ausdruck einer Protesthaltung gegen das Christentum. Der Hack der türkischen Website schließlich ist keine Aktion von Satanisten gewesen, sondern eine Aktion einer brasilianischen Hackergruppe, die in den letzten Monaten ca. 250 Sites quer durch das Internet gehackt hatten und außer einem möglichst krassen Namen nichts mit Satanismus zu tun haben sollen, sondern eher dem linken Spektrum zuzuordnen seien.
Das Wort „satanistisch“ erklärt letztlich kaum etwas. Im Gegenteil, es kann den Blick auf die eigentlichen Probleme verstellen, wenn damit die Schuldfrage an eine überirdische Instanz delegiert und weiteres Nachdenken erspart werden soll. Gemeinsam ist den als „satanistisch“ bezeichneten Fällen nicht die Motivation der Tat, sondern dass es sich durchweg um Folgen eines missglückten Lebensentwurfs handelt. Es sind in gewisser Weise elende und gescheiterte Existenzen – Verzweiflungstaten von Menschen, die ihre Hoffnung auf das Leben verloren haben. Die Opfer des Teufels sind in diesem Sinn nicht allein die Gemordeten, sondern zuerst einmal die Mörder selbst. Das gilt dann auch für die weniger offensichtlichen Fälle, die sich in der Stille vollziehen. Letztlich kann jeder Selbstmord als ein Werk des Teufels gesehen werden, unabhängig davon, ob das Opfer sich vorher mit dunklen Themen befasst hat, oder nicht. Wenn ein Mensch so am Leben verzweifelt ist, wenn er keine anderen Menschen hat, um derentwillen er in seinem Leben einen Sinn sehen kann, wenn er so von Gott entfernt ist, dass der Glaube ihm keine Hoffnung mehr zu geben vermag, dann kann man die Wirkung des Bösen in der Welt schwerlich leugnen.
Es ist immer wieder gefragt worden, wie man sich den Teufel vorzustellen habe. Dass Hörner, Pferdefuß und Schwefelgestank nicht zwingend dazugehören, ist mittlerweile weithin anerkannt. Aber wer ist „der Böse“? Ist er eine eigenständige, zweite Macht neben Gott? Vielleicht sogar gleich stark, oder stärker? (Manche sich christlich nennende Gruppen scheinen mehr Angst vor dem Teufel als Vertrauen auf Gott zu haben.) Oder ist er lediglich das eigene Böse in uns, der menschliche böse Wille? Beides ist sicherlich so nicht zutreffend. Wie es sich ganz genau verhält, bleibt ein Stück offen, denn die Bibel gebraucht verschiedene Bilder zur Beschreibung der Wirklichkeit des Bösen in der Welt. Ein in sich geschlossenes Bild Satans entwirft die Bibel nicht. Das ist auch nicht nötig, denn Christen glauben nicht an den Teufel, sondern an Gott. Wichtig daran sind vor allem zwei Aspekte:
„h Wie das Böse auch genannt wird – seine Macht ist lediglich eine abgeleitete, die von Gott gewährt bleibt (besonders deutlich: Hiob 1 f.)
„h Durch Christus wurde die Macht des Teufels besiegt.
Es besteht für Christen kein Grund, sich vor dem Teufel zu fürchten. Wohl aber wissen auch sie, dass ihr Glaube gefährdet ist. Angefochten durch Zweifel an Gottes Treue und in der Gefahr die praktischen Folgen des Glaubens zu vernachlässigen ist die christliche Existenz stets bedroht.
Der Kirchenvater Augustin hat dem Bösen keine eigenständige Existenz zugestanden, sondern es als Entfernung von Gott beschrieben. Je weiter wir uns von Gott entfernen, desto mehr geben wir dem Bösen Raum. In diesem Sinn kann jede menschliche Bösartigkeit, jeder Mangel an Liebe, jede überzogene Selbstsucht als ein Triumph des Teufels verstanden werden. Wenn Menschen sich im Satanismus bewusst dem Bösen zuwenden, verlassen sie meist auch den ethischen Konsens der Gesellschaft. Das kann in extremen Verirrungen dazu führen, dass sie Satan ein Opfer bringen wollen und wahllos Mitmenschen angreifen. Vor diesen Handlungen steht aber meist eine Phase der Entfremdung, der Desillusionierung, der Demütigung und der Erfahrung der eigenen Ohnmacht, die nun mit Satans Hilfe in Macht umgekehrt werden soll. An diesen Prozessen sind andere Menschen oft nicht unschuldig. Satanismus ist darum untrennbar mit menschlicher Schuld verwoben, auch wenn er diese Ebene übersteigt. Der Teufel (griechisch: „Diabolos“, der Durcheinanderbringer) schafft nichts eigenes, sondern er benutzt, was er in Gottes Schöpfung vorfindet. Am wenigsten Arbeit hat er – bildlich gesprochen – wenn er die Menschen selbst benutzt und ihre Eitelkeiten, ihre Rivalitäten, ihre Machtgelüste und Lieblosigkeiten gegeneinander ausspielt. Es sind die Menschen selbst, die sich gegenseitig Böses antun, dennoch ist der „Teufel“ daran nicht unbeteiligt. Schuld lässt sich aber nicht allein dadurch verringern, indem sie auf „teuflische Beeinflussung“ zurückgeführt wird. Wichtiger ist es, im Glauben von Gott Vergebung zu empfangen.
Harald Lamprecht, 6/2002